Sophia Teriet Sophia Teriet

Offener Brief des berliner frauen netzwerk (bfn) gegen drohende Kürzungen bei den Berliner Frauen*projekten 2026

Frauen*infrastruktur in Berlin sichern - Kürzungen jetzt stoppen!

Sehr geehrter Herr Senator Evers,

sehr geehrte Frau Senatorin Kiziltepe,

sehr geehrte Frau Staatssekretärin Klapp,

sehr geehrte Sprecher*innen für Frauenpolitik und Gleichstellung,

sehr geehrte Sprecher*innen für Haushalt und Finanzen,

sehr geehrte Sprecher*innen für Queer-Politik,

am 23. Juli 2025 hat die Senatsverwaltung für Gleichstellung die Berliner Frauen*projekte darüber informiert, dass im Haushaltsjahr 2026/27 Kürzungen in Höhe von 2,574 Mio. Euro für das Jahr 2026 geplant sind. Diese sollen u.a. durch pauschale Kürzungen bei allen Frauen*projekten von durchschnittlich 2% gegenüber der Förderung 2025 umgesetzt werden – mit der Ankündigung, dass einzelne Projekte sogar überproportional betroffen sein werden.

Schon eine pauschale Kürzung von 2% bedeutet bei fast allen Projekten, dass Personalstellen gekürzt und Honorarmittel gestrichen werden müssen. Über Sachmittel können die Kürzungen nicht umgesetzt werden, da die Sachmittel bereits jetzt die Kosten kaum abdecken. Noch nicht absehbare Kostensteigerungen führen in der Konsequenz zu zusätzlichen Kürzungen. Ebenfalls wird die tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiter*innen in den Frauen*projekten damit infrage gestellt. Und bei dem Etat für die Frauenzentren betragen die geplanten Kürzungen laut aktuellem Haushaltsentwurf 2026/2027 schon jetzt nicht 2%, sondern über 3%.

Konkret heißt das, dass frauen*spezifische Angebote in Berlin wegfallen bzw. reduziert werden, wie z.B. Beratung in Gewaltsituationen, psychosoziale Beratung in Krisensituationen, Beratung und Begleitung für Migrant*innen und geflüchtete Frauen*, Rechtsberatungen, Gruppenangebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt, arbeitsmarktpolitische Angebote sowie Kinderbetreuung. Die Folge sind Versorgungslücken und längere Wartezeiten auf Termine, die besonders Frauen* in Not treffen.

Frauen*projekte gehören zur Grundversorgung, unterstützen die Integration und verhindern soziale Isolation, insbesondere bei Migrant*innen, Alleinerziehenden und Frauen* in prekären Lebenslagen. Kürzungen beschädigen dauerhaft die soziale Infrastruktur der Stadt und verschlechtern die Chancengleichheit.

Ohne verlässliche Finanzierung drohen Projektauflösungen, Personalmangel und ständige Unsicherheit, was auch die Arbeitsfähigkeit und Motivation der Mitarbeiter*innen untergräbt. Langfristige Planung und nachhaltige Entwicklung sind nicht möglich, wenn Fördermittel gekürzt werden. Der Abbau von gewachsenen Strukturen und Fachpersonal durch Projektauflösungen bzw. Angebotseinschränkungen schwächt die Qualität und Reichweite der Präventions- und Hilfsangebote.

Die Kürzungen treffen einen Bereich, der ohnehin strukturell unterfinanziert ist – und das in einer Zeit, in der Gewalt gegen Frauen* und queere Menschen zunimmt, Unterstützungs- und Beratungsanfragen steigen, Schutzräume überfüllt sind und gleichstellungspolitische Fortschritte unter Druck stehen.

Die Senatsverwaltung für Gleichstellung hat immer wieder betont, dass das Hilfe- und Unterstützungssystem für Frauen* erhalten bleiben soll. Das Gegenteil ist nun der Fall.

Der Berliner Senat rühmt sich öffentlich damit, den Haushalt aufgestockt zu haben, um in die Infrastruktur zu investieren. Doch dies bezieht sich nur auf technische Infrastruktur – Schutzräume und Beratung werden dagegen reduziert, wodurch die Sicherheit und Lebensqualität von Frauen*, Mädchen* und queeren Menschen sinkt.

Notwendige Investitionen in die städtische Infrastruktur dürfen nicht auf Kosten der sozialen Infrastruktur zur Beseitigung von Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen*, der Gewaltprävention und Gleichstellung gehen.

Besonders alarmierend ist, dass auch Maßnahmen des Landesaktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention nicht umgesetzt werden – ein klarer Wortbruch gegenüber internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen und Versprechen des Berliner Senats.

Wir fordern den Berliner Senat auf:

• die geplanten Kürzungen im Bereich Gleichstellung und Gewaltschutz vollständig

zurückzunehmen,

• die zugesagten Mittel für die Umsetzung der Istanbul-Konvention verbindlich bereitzustellen,

• Frauen* - und Gleichstellungsarbeit nicht als freiwillige Leistung zu behandeln, sondern als unverzichtbare Grundlage einer demokratischen, sozialen Stadt.

Frauen*rechte, Schutz vor Gewalt und Gleichstellung dürfen nicht zur Verhandlungsmasse im Haushalt gemacht werden. Wir lassen die angedrohten Kürzungen nicht unwidersprochen und stellen uns solidarisch an die Seite aller betroffenen Projekte und Initiativen.

Wir bitten Sie eindringlich, unsere Forderungen umzusetzen und die Frauen*infrastruktur zu sichern.

Mit freundlichen Grüßen

berliner frauen netzwerk (bfn)

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Beraterin Sophia Teriet Beraterin Sophia Teriet

Neue Wege finden

Krzysztofa Bieniak glaubt an Neuanfänge. Und an den Mut, neue Wege zu gehen. Sie arbeitet als Bildungsberaterin im Frauenzentrum Marie e.V. und unterstützt Frauen dabei, berufliche Perspektiven zu entwickeln und ihre eigenen Wege zu gehen. Sie selbst kam vor 14 Jahren aus Polen nach Berlin – Erfahrungen, die auch ihre Arbeit prägen. Im Gespräch mit Sophia Teriet erzählt sie, warum individuelle Biografien im Mittelpunkt ihrer Beratung stehen und wie Frauen durch gezielte Begleitung neue Möglichkeiten für sich entdecken können.

Ein Gespräch mit Krzysztofa Bieniak vom Frauenzentrum Marie

Krzysztofa Bienak am Schreibtisch. Foto: Monika Sędzierska

Krzysztofa Bieniak glaubt an Neuanfänge. Und an den Mut, neue Wege zu gehen. Sie arbeitet als Bildungsberaterin im Frauenzentrum Marie e.V. und unterstützt Frauen dabei, berufliche Perspektiven zu entwickeln und ihre eigenen Wege zu gehen. Sie selbst kam vor 14 Jahren aus Polen nach Berlin – Erfahrungen, die auch ihre Arbeit prägen. Im Gespräch mit Sophia Teriet erzählt sie, warum individuelle Biografien im Mittelpunkt ihrer Beratung stehen und wie Frauen durch gezielte Begleitung neue Möglichkeiten für sich entdecken können.

Krzysztofa, ich freue mich sehr, heute mit dir zu sprechen. Kurz vorweg: Termine bei dir sind schon Wochen im Voraus ausgebucht. Was ist dein Geheimnis?

Darüber schweige ich natürlich geheimnisvoll (Krzystofa lacht herzlich. Anm. d. Redaktion). Aber eines kann ich verraten: Meine Klientinnen verlassen mein Büro meistens beflügelt – erleichtert und gestärkt zugleich. Als würden sie frische Luft in ihrer Gedankenwelt schnappen und neue Energie zum Handeln gewinnen. Und das wird gerne weiterempfohlen.

Was war für dich der entscheidende Moment, der dich dazu bewegt hat, diesen beruflichen Weg einzuschlagen?

Ich habe 2019 als Projektleiterin in der Anerkennungsberatung begonnen, wo ich Frauen bei der beruflichen Anerkennung und Qualifizierung unterstützte. Diese Arbeit hat mir gezeigt, wie wertvoll gezielte Beratung und Begleitung sein können. Später habe ich meinen Schwerpunkt auf biografieorientierte Beratung gelegt, das heißt, Frauen ganzheitlich beim beruflichen Wiedereinstieg und bei der Arbeitsmarktintegration zu unterstützen.

Mit welchen Anliegen kommen Frauen zu dir?

Frauen suchen oft Orientierung, sei es beim Wiedereinstieg nach einer Pause, bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen oder beim beruflichen Neuanfang in Deutschland. Zu den häufigsten Fragen gehören: „Wie finde ich nach einer längeren Auszeit den Weg zurück in den Beruf?“, „Welche Möglichkeiten bieten meine Qualifikationen in Deutschland?“ und „Welche Weiterbildung oder Qualifizierung passt zu mir?“ Diese Unsicherheiten begegnen mir in der Beratung täglich, und ich helfe den Frauen dabei, sich neu zu orientieren und Perspektiven zu entwickeln.

Krzysztofa Bienak im Beratungsgespräch

Krzysztofa Bienak im Gespräch.

Wie läuft eine Beratung ab?

Zu Beginn klären wir, wo die Beratungskundin beruflich und persönlich steht. Gemeinsam setzen wir klare Ziele und entwickeln praktikable Schritte, um diese zu erreichen. Ich arbeite mit systemischen Methoden, die individuell an die jeweilige Lebenssituation angepasst werden. Systemische Beratung ist ein Ansatz, bei dem die gesamte Lebenssituation und die Beziehungen der Beratungskundinnen betrachtet werden. Statt nur einzelne Probleme zu isolieren, schauen wir auf das Zusammenspiel verschiedener Lebensbereiche und Einflüsse. Ziel ist es, neue Perspektiven zu gewinnen, Muster zu erkennen und Lösungen zu entwickeln, die im Kontext des gesamten Systems sinnvoll sind. Dabei arbeite ich individuell und ressourcenorientiert, um nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.

Was sind die größten Herausforderungen für Frauen im beruflichen Kontext?

Viele Frauen müssen einen oft schwierigen Spagat zwischen Familie und Beruf meistern, besonders nach längeren Pausen oder bei einem Neuanfang in Deutschland. Sie haben oft Zweifel an ihren Kompetenzen oder wissen nicht, welche Möglichkeiten ihre Qualifikationen in Deutschland bieten. Solche Herausforderungen erfordern nicht nur Weiterbildung und Qualifizierung, sondern auch gezielte Unterstützung und den Mut, sich neuen beruflichen Wegen zu öffnen.

Wie kannst du Frauen konkret unterstützen?

Mein Ansatz ist ganzheitlich: Ich helfe Frauen, ihre Stärken zu erkennen, ihr Selbstvertrauen zu stärken und realistische, greifbare Ziele zu setzen. Dabei geht es nicht um Standardlösungen, sondern um individuelle Strategien, die zu ihrer persönlichen und beruflichen Situation passen. Ich biete Orientierung, Impulse und konkrete Werkzeuge, die den Weg in eine neue berufliche Zukunft erleichtern.

Was motiviert dich in deiner Arbeit?

Es ist unglaublich bereichernd, Frauen auf ihrem Weg zu mehr Klarheit, Selbstbewusstsein und beruflicher Erfüllung zu begleiten. Besonders motivierend ist es, wenn ich sehe, wie sie durch gezielte Beratung neue berufliche Möglichkeiten entdecken und ihre Ziele erreichen. Diese Veränderungen mitzuerleben, ist für mich das Schönste an meiner Arbeit.

Welche Tipps hast du für Frauen, die sich beruflich verändern möchten?

Ich empfehle, sich zunächst Zeit für Selbstreflexion zu nehmen: Was sind meine Stärken, Interessen und Werte? Was ist mir in meiner aktuellen Lebensphase wirklich wichtig? Welche beruflichen Felder passen zu mir? Und vor allem: Welche kleinen Schritte kann ich sofort im Rahmen meiner Möglichkeiten unternehmen? Der Austausch mit anderen und regelmäßige Überprüfung der eigenen Prioritäten helfen, Unsicherheiten abzubauen und neue Perspektiven zu entwickeln. Der erste Schritt mag oft der schwerste sein, aber er ist entscheidend für den langfristigen Erfolg. Es ist ebenso essenziell, sich selbst die Erlaubnis zu erteilen, Neues auszuprobieren und dabei auch Rückschläge als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren. Diese Haltung fördert die persönliche Entwicklung und erleichtert den Umgang mit Unsicherheiten auf dem Weg zu den angestrebten Zielen.

Krzysztofa, herzlichen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen zu unseren Beratungsstellen gibt es hier. Termine lassen sich direkt bei den Beratungsstellen buchen, oder über unser Beratungstelefon Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr: 0800 4540299.

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